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Nachhaltigkeit im Digitalen:

Trends & Herausforderungen 2023

Wie in jedem Jahr beantwortet Digitalpionier Janus Boye auch 2022 zum Jahreswechsel unsere Fragen: Was können wir aus dem Jahr lernen und welche Trends erwarten uns 2023?

Wenn sich das Jahr dem Ende entgegen neigt, steht ein Termin fest im Kalender: Das traditionelle Interview mit dem dänischen Digitalpionier Janus Boye. Seit 2017 nimmt er für unseren Blog jährlich Stellung zu aktuellen Trends und Herausforderungen im digitalen Umfeld. Mit Ausblick auf 2023 liegt der Fokus für ihn auf den Themen Nachhaltigkeit und Recruiting.

 

Wir blicken zurück auf ein spannendes und sehr ereignisreiches Jahr 2022. 2021 war deine Prognose, eine Polarisierung der Gesellschaft und dass Unternehmen hier Stellung beziehen müssen. Inwieweit haben sich deine Vorhersagen vom vergangenen Jahr bewahrheitet?

Ich glaube, das ist definitiv immer noch aktuell. Heute ist Purpose Thema in vielen Gesprächen, nicht nur im deutschsprachigen Raum. „Wir machen das hier nicht nur, um Geld zu verdienen, wir machen das für einen Purpose, einen Zweck.“ Beispielsweise, um Leute zu verbinden. Wie Nokia damals. Ab und zu wird so viel darüber gesprochen, dass es so klingt, als ob Unternehmen vorher keinen Zweck hatten, außer Geld zu verdienen.

Meiner Meinung nach, sind wir schon ein Stück weiter gekommen dieses Jahr. Diese ganze Diskussion beispielsweise zur Fußball-WM in Katar ist lauter im Vergleich zum Beispiel zu der über Russland vor wenigen Jahren. Das Gleiche gilt für Themen wie Diversität und Inklusion. Wir spüren bei vielen Unternehmen, dass sie Stellung beziehen müssen. Aber es geht bei diesen Themen ja nicht nur darum, darüber zu reden, sondern auch etwas zu tun. Da haben wir noch eine Reise vor uns.

 

Apropos Stellung beziehen: Im November fand die Boye Aahus Konferenz statt mit den Schwerpunktthemen Klima und Nachhaltigkeit. Welche Erkenntnis hast du mitgenommen für Unternehmen im digitalen Sektor?

Ungefähr zu dieser Zeit letztes Jahr habe ich erkannt, dass es irgendwo anders Strom kostet, wenn wir über Teams miteinander reden oder ich bei Amazon oder in der Google Cloud etwas speichere. Oder dass das Datenzentrum beispielsweise in Irland Wasser verbraucht. Aber ist das eine individuelle Verantwortung oder könnte man strukturell daran etwas ändern? Nur als einfaches Beispiel: Wie kann ich auf meiner Website Entscheidungen treffen, damit sie nachhaltig wird? Brauche ich unbedingt ein riesiges Hero-Image in hoher Auflösung?

Es ist ja glücklicherweise so: Ist eine Website schneller, dann ist sie nachhaltiger. Wenn es statt acht Schritte im Kaufprozess nur vier sind, dann ist das nachhaltiger und oft auch eine bessere User Experience. Auch mit dem Thema Barrierefreiheit ist das so. Wenn man das richtig macht von Anfang an, ist es leichter, ist es besser und nachhaltiger.

Was auf der Konferenz einer der Höhepunkte war, war eine Präsentation der dänischen Stadt Herning. Wenn man auf deren Website geht, dann kann man klimafreundlich an- oder ausschalten. Das heißt sehr vereinfacht: mit oder ohne Bilder. Aber komm, das ist eine Behörde! Wieso braucht man Bildern davon, wie es aussieht in Herning? Man will ja vielleicht eh nur wissen, wann der Müll abgeholt wird oder wie man sein Kind in der Schule einschreiben kann. Aber dieses Bewusstsein, dass ich das individuell steuern kann, das macht einen Unterschied. Wenn eine größere Behörde oder ein größeres Unternehmen so etwas macht auf deren Webseite und man das hochrechnet auf die monatlichen Anwender, dann mach das einen großen Unterschied.

Darüber hat keiner gesprochen letztes Jahr. Dieses Bewusstsein, dass auch unser ständiges Surfen auf Facebook, Twitter, Instagram oder Teams-Calls mit Video etwas kosten. Das ist im Moment sehr spannend im Digitalen, weil da noch diskutiert wird, welche Möglichkeiten es gibt und wie viel Co2 eingespart werden kann. Bei Plastiktüten und Strohhalmen zum Beispiel sind die Probleme alle sehr individuell geworden. Man sollte nicht fliegen. Man sollte Bahn fahren und keine Plastiktüten verwenden. Ich finde, eigentlich ist das der ganz falsche Weg. Weil ich glaube, es ist menschliche Natur, dass man die Welt rumreist, Leute aus anderen Kulturen trifft und Erfahrungen austauscht. Aber vielleicht brauchen wir nicht unbedingt Webseiten mit sinnlosen Videos. Technisch haben wir das ja eigentlich nur gemacht, weil wir es können. Die nachhaltigste Webseite wäre ja eigentlich eine langsame, anwenderunfreundlicher Webseite. Die würde keiner nutzen. Aber das geht ja auch nicht und das ist der Elefant im Raum: Wie kann ich das zum Beispiel als Zalando lösen? Ich will ja den Umsatz. Ich will, dass die Kunden bei mir einkaufen und nicht irgendwo anders. Aber vielleicht kann ich den Kunden auch dahin steuern, das Ganze klimafreundlich zu machen. Nicht nur klimafreundliche Kleidung, sondern auch klimafreundliche digitale Einkaufserlebnisse.

Das Ganze hat mich ein bisschen erinnert an die Zeit vor zwölf Jahren als iPads aufkamen und innerhalb von einem Jahr alle einen iPad hatten oder jeder jemanden kannte, der eines hatte oder eines zu Weihnachten wollte. Da war der nächste Schritt: Wie kriegen wir unsere Websites responsiv? Sechs Monate später haben alle Webseiten mehr oder weniger erfolgreich angefangen mit responsivem Design. Es wäre eine tolle Sache, wenn wir 2023 auf die Schnelle unsere Websites klimafreundlich gestalten könnten.

Stell dir vor, Microsoft entscheidet, nach fünf Minuten Video-Call bekommt man eine kleine freundliche Erinnerung: Willst du immer noch mit Video weiter machen? Es kann es sein, dass dann 10% aller Teams-Nutzer sagen: „Jetzt haben wir uns gesehen, jetzt schalten wir das Video aus.“ Und dann bekommt man vielleicht am Monatsende eine kleine Mail, dass man in 80 Stunden Calls eine Stunde weniger Video genutzt hat. Das scheint ganz wenig, aber wenn man das hochrechnet auf alle Teams-Anwender der Welt. Wahnsinn! Und wenn Microsoft das macht, dann bin ich mir ziemlich sicher, ziehen Zoom und Google nach. Das Gleiche gilt auch für Netflix. Es wäre toll, wenn Netflix einen Green Modus entwickeln würde. Wenn ich mir überlege, was ich auf Netflix sehen möchte, könnte ich beim Durchblättern und Teaser-Schauen – vielleicht sogar auf meinem Handy – mit weniger Auflösung eine Menge Co2 sparen. Ich glaube und hoffe, das kommt bald. Wenn man das hochrechnet – das war der Augenöffner bei der Konferenz letzten Monat –, auf alles, was zum Thema Internet gehört, dann ist das mehr als die ganze Flug-Industrie. Ich weiß, in Deutschland, ähnlich wie in Dänemark, sagt man, „Ah, Fliegen. Das ist schlimm. Du darfst nicht fliegen. Aber Websites benutzen, das ist gut!“ Merkwürdig.

 

Kannst du hieraus Trends ableiten, die für dich zukunftsfähig sind?

Wir brauchen wie beim responsiven Design Vorbilder. In Dänemark gibt es ein Bekleidungsunternehmen – Organic Basics – die haben eine Low-Impact Website entwickelt, ohne Bilder. Für dieses Durchblättern – ähnlich wie bei Zalando – braucht man nicht unbedingt Tausende Bilder von Hosen oder was auch immer. Da brauchen wir genau diese Vorreiter, diese Beispiele. Aber ich glaube, das kommt. Das ist auch das, was ich von anderen Experten höre. In England zum Beispiel wird das Thema Nachhaltigkeit jetzt in die Einkaufsprozesse miteingebunden. Wenn du als byte5 ein Angebot verschicken willst für eine neue Website, dann gibt es Anforderungen zur Klimafreundlichkeit. Und wenn das da schon eingebaut wird, dann kommt es.

 

Welche Themen werden 2023 im Mittelpunkt stehen und mit welchen Herausforderungen werden wir konfrontiert sein?

Ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit wird noch größer werden. Das sind immer noch die early Days. Als ein anderes Thema höre ich bei großen Unternehmen wie der Deutschen Post, DHL, aber auch kleinere Unternehmen wie zum Beispiel byte5: Wir können keine Leute finden. Unternehmen müssen sich unterscheiden, nicht nur Geld verdienen. Wenn ich als Berufseinsteiger oder mit 10 Jahre oder 20 Jahre Erfahrung eine Menge Möglichkeiten habe, jetzt von zuhause aus für dieses Unternehmen oder jenes Unternehmen arbeiten kann, für ein gutes, anständiges Gehalt, dann muss das Unternehmen sich noch deutlicher unterscheiden. Ähnlich, wie byte5 es gemacht hat. Und das betrifft jetzt auch Unternehmen, die bisher vielleicht durch ihre coole Marke überzeugen konnten.

Auch die Unternehmen, die wirklich großartige Arbeitgeber sind, sagen mir bei Gruppentreffen, dass es schwierig ist, Leute zu finden. Wo sind die Leute? Restaurants und Cafés sind vielleicht noch härter betroffen als der digitale Bereich, aber die Leute sind weg. Wie lösen wir das? Crash-Kurse, Coding Camps? Als Unternehmen kannst du 60 Leute auf einen Programmierkurs für sechs Wochen schicken. Klar, das sind dann keine Experten. Aber sie können schon anfangen, wenn ich als Unternehmen nicht warten kann auf jemanden mit drei, vier oder fünf Jahren Erfahrung in der Informatik. Aber auch für Leute, die bis jetzt etwas anderes gemacht haben, und jetzt in unsere schöne, merkwürdige, verrückte, digitale Welt wollen, müssen Unternehmen viel mehr tun. Lange Rede, kurzer Sinn: Recruiting wird ein riesiges Problem sein.

Vielleicht zum Abschluss: Das, was wir getan haben zum Thema Nachhaltigkeit bis 2050 ist zu langsam, darauf können wir nicht warten. Das, was wir getan haben im Bereich Recruiting – wir haben eine Job-Anzeige geschaltet, dann kamen 1.000 Bewerbungen, wir haben 10 der Besten genommen – wird nicht ausreichen. Und das heißt, alle sind aufgefordert, neue Lösungen, neue Ideen, Experimente auszuprobieren. Das finde ich super spannend! Und ich glaube, dadurch wird es auch zu guten Lösungen kommen, die nachhaltig sind, die hoffentlich diverser sind und inklusiv.

 

Lieber Janus, wir bedanken uns wieder einmal für die Einblicke in dein Jahr 2022 und unsere schöne, merkwürdige und verrückte digitale Welt! byte5 wünscht allen Leserinnen und Lesern einen guten Start in ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2023.


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