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Agiler Kulturwandel in Unternehmen –

Teil I

Agile Unternehmenskultur: Was ist darunter zu verstehen und warum ist sie unsere Zukunft? Change-Managerin Dorothee Wiebe im Interview.

Längst sind Innovationen in der Arbeitskultur nicht mehr nur hippen Startups vorbehalten. Vielerorts werden branchenübergreifend und bei Unternehmen jeder Größenordnung Modelle zur Individualisierung der Arbeitsorganisation umgesetzt und gelebt. Dahinter steht als treibende Kraft der immer größer werdende Arbeitnehmerwunsch nach Flexibilität.

Dass eine Arbeitskultur mit vielen Freiheiten nicht nur möglich, sondern sogar sinnvoll ist, beweisen Pioniere wie byte5. Hier gibt es nicht nur eine freie Arbeitszeitgestaltung und eine flexible Home-Office-Regelung. In diesem Jahr hat byte5 außerdem als einer der ersten Arbeitgeber im IT-Dienstleistungssektor Vertrauensurlaub eingeführt: unbegrenzte, bezahlte Urlaubstage.

Grund genug für die Organisatorin Dorothee Wiebe, byte5-Geschäftsführer Christian Köhler als Speaker zum interaktiven Praxis-Talk zum Thema agiler Kulturwandel in Unternehmen am 3. Juni in Saarbrücken einzuladen. Dorothee Wiebe setzt als agile Organisationsentwicklerin und zertifizierte Change-Managerin Impulse, gibt Werkzeuge an die Hand und begleitet Unternehmen in Bewegung. Wir haben sie zum Interview getroffen und mit ihr über agile Unternehmenskulturen gesprochen.

Change-Managerin und Organisationsbegleiterin Dorothee Wiebe

© Dorothee Wiebe

Change-Managerin und Organisationsbegleiterin Dorothee Wiebe

Was zeichnet eine agile Arbeitsumgebung aus?

Eine agile Arbeitsumgebung ist vor allem eins: flexibel. Sie kann sich sowohl an die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen anpassen als auch an die des Unternehmens. Ein Unternehmen an sich hat gar keine Bedürfnisse, sondern verfolgt ja nur die Erfüllung eines Zwecks – beispielsweise die Erfüllung von Kundenwünschen –, also eine Wertschöpfung. Was die Bedürfnisse von Menschen betrifft, ändern die sich natürlich im Laufe eines Lebens. Es gibt Lebensphasen, in denen es eher darum geht, die Welt zu entdecken und Freiraum für Reisen zu haben. Dann gibt es welche, in denen es eher Stabilität, Finanzierung eines Familienlebens und Zeit für Kinder braucht. 

Und es gibt Phasen, in denen die Eltern betreut werden wollen. Und allgemein gibt es natürlich Menschen, die einfach viel Freizeit – beispielsweise für Sport oder Weiterbildung – brauchen. Eine zeitliche Gestaltung ist vor allem also individuell und flexibel. Das trifft übrigens genauso auf die räumliche Gestaltung zu: Wie oft sehe ich meine Kollegen? Wie gestalten wir Meetings? Brauchen wir ein Team-Board? Ist es digital? Kurz gesagt ist eine agile Arbeitsumgebung bestimmt von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse, die es gibt.

Agilität im Unternehmen kommt vor allem dynamischen Menschen entgegen. Was bedeutet dieser Kulturwandel für eher statische Arbeitnehmer? Wie sieht ihre Rolle in der Arbeitswelt der Zukunft aus?

Super Frage! Was ist mit den Menschen, die nicht so wahnsinnig dynamisch sind, die sich eher wohlfühlen, wenn die Dinge gleichlaufen und es wenig Abwechslung gibt? Wir Menschen sind sehr, sehr unterschiedlich und diese verschiedenen Bedürfnisse sind alle völlig in Ordnung. Was deine Frage betrifft, glaube ich nicht, dass alle Unternehmen per se in jedem Tätigkeitsbereich hohe Flexibilität brauchen. Selbst in einer solch agilen IT-Buden wie byte5, braucht es Leute, die sich um gleichlaufende Prozesse kümmern. Auch kann nicht alles digitalisiert werden, wie beispielsweise die Beratung. Es wird in meinen Augen immer Bereiche in Unternehmen geben, in denen Menschen gefragt sind, die in hoher Kontinuität und mit hoher Qualität in Gleichartigkeit arbeiten. Daher glaube ich, Agilität und ständige Veränderung braucht es gar nicht für alle. 

Person hält Glühbirne, darin viele leuchtende LEDs

© Unsplash

Person hält Glühbirne, darin viele leuchtende LEDs

Welchen Einfluss nimmt die Digitalisierung auf die Stiftung und Einführung einer agilen Arbeitskultur?

Einen riesigen! Vor allem, weil sie einen riesigen Druck ausübt, sich zu verändern. Wenn alles noch wunderbar funktionieren würde, gäbe es keinen Anlass zur Veränderung. Denn: Energie für Veränderung entsteht daraus, dass da etwas ist, das nicht mehr funktioniert. Es muss also einen Schmerz geben. Die Digitalisierung bringt uns einen Schmerz, weil sie einen enormen Marktdruck auf Unternehmen ausübt. Unsere Welt hat sich gnadenlos verändert. Aber gleichzeitig ist die Digitalisierung auch eine Lösung. Weil sie uns ermöglicht, auf eine andere Art und Weise miteinander zu arbeiten. Die Zusammenarbeit mit hochqualifizierten Spezialisten wird für Unternehmen möglich und bezahlbar. Unternehmensbereiche lassen sich teilweise oder ganz auslagern. Die Digitalisierung ermöglicht einen riesigen Handlungsspielraum – wenn ich bereit bin, ihn zu nutzen. 

Das Selbstverständnis von Arbeitnehmern, aber auch Arbeitgebern, hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Weshalb hat der Wunsch nach Individualität in der Arbeitsorganisation an Bedeutung gewonnen?

Das ist eine Frage, die bestimmt viele Antworten hat. Eine davon ist sicher, dass wir derzeit in einer solch langen Phase von Wachstum und Wohlstand leben, vor allem hier in den westlichen Ländern. Weil wir uns nicht mehr um unsere pure Existenzsicherung kümmern müssen, tauchen nun andere Bedürfnisse auf. Man könnte sagen: Wir haben ein Luxusproblem – zum Glück! Unsere Gehirne und auch unsere ganzen Wesen sind zu so viel mehr als zur Sicherung der eigenen Existenz fähig: mehr Wahrnehmung, Interaktion und Kreativität. Das geht aber nur, wenn alle Basics erfüllt sind. Und an diesem Punkt sind wir gerade. Das wirft natürlich die Frage nach Sinn auf und somit die Frage: Wie möchte ich eigentlich arbeiten?

Du sprachst von mehreren Gründen für den Wunsch nach Individualität?

Genau, das war die eine Antwort. Eine ganz andere Antwort ist, dass die Steigerung von Effizienz und Effektivität, was das Schöpfen von Mehrwert angeht, am Ende angelangt ist. Wir verdienen nicht mehr bedeutend mehr Geld damit, wenn wir Sachen gleichförmiger produzieren, wie das seinerzeit in der Industrialisierung der Fall war. Wir sind inzwischen am obersten Limit der Stellschrauben angelangt. Was Wertschöpfung heutzutage bringt, ist tatsächlich wieder die Individualisierung. Das heißt, der Anteil des menschlichen Anteils am Produkt steigt wieder, und erzielt damit mehr Wertschöpfung. Die Kreativleistung gewinnt also an Wichtigkeit. Es braucht Menschen, die tatsächlich ums Eck denken können und die Spaß daran haben.

Weiter im Interview geht es nächste Woche in Teil II, in dem uns Dorothee mehr über die Qualitäten agiler Führungskräfte berichtet und über Herausforderungen spricht, die der agile Kulturwandel für Unternehmen mit sich bringt.

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